Anna Jürgen
Blauvogel, Wahlsohn der Irokesen

 

Ab 11 Jahren.

Ein besonderes Indianer-Buch, mit dem nötigen Einfühlungsvermögen von einer Frau geschrieben: Anna Jürgen (Künstlername von Anna Müller-Tannewitz)  bringt den Leser zu den Irokesen, die sowohl jagen als auch Ackerbau betreiben und die nicht in Zelten, sondern in Langhäusern wohnen.

„Menschen des langen Hauses“ nennen sich die Irokesen in ihrer eigenen Sprache. Fünfundzwanzig Meter lang konnte solch ein Haus sein und bei Bedarf wurde es verlängert. Breite und Höhe lagen bei etwa sechs Metern. Darin wohnten die Familien eines Clans, meist mehrere Schwestern mit ihren Männern und Kindern.

Die Leser verfolgen die Entwicklung Georg Rusters von seinem neunten bis sechzehnten Lebensjahr. Von Indianern entführt, adoptieren ihn Häuptling „Kleinbär“ und dessen Frau „Mittagssonne“, deren eigener Sohn umgekommen ist.

Georg, nun „Blauvogel“ genannt, denkt immer wieder daran zu fliehen, um zu seinen eigentlichen Eltern und Geschwistern zurückzukehren. Zu vieles ist fremd für ihn: die Sprache der Indianer und deren Sitten.

Blauvogel ist seinen gleichaltrigen Spielkameraden in allem unterlegen, doch nach und nach lernt er nicht nur deren Sprache, sondern alles was ein Mensch braucht, um in Wäldern, an Flüssen und Seen zu überleben, vor allem im harten Winter im kanadisch-amerikanischen Grenzgebiet: Schwimmen, Kanu-Fahren, Klettern, Bogenschießen, Fischen, Jagen.

Bei dem allen überrascht ihn, dass die Irokesen-Kinder nicht von ihren Eltern geprügelt werden und das Leben der Indianer ohne Hast abläuft, trotz Existenzkampf.

Da der Junge sich immer mehr mit der Natur verbunden fühlt, wächst auch sein Verstehen für den Glauben der Indianer an Naturwesen; denn er erlebt, dass sie ihren Glauben ernst nehmen durch ihre Achtsamkeit für ihre Umwelt.

Im Frühling beginnt er bei der Arbeit auf den Feldern mitzuhelfen:

   … kniete die Mutter hin und öffnete die drei mitgebrachten Lederbeutel. Dem Ersten entnahm sie sechs Maiskörner, drückte sie mit dem Daumen in die Erde des Hügelchens und strich die Krume glatt. Danach holte sie aus dem zweiten Beutel vier oder fünf Bohnen und versenkte sie innerhalb des Maiskörnerkreises in den Boden. Außen am Rande der gehäuften Erde pflanzte die Mutter einige Kürbiskerne.
„Warum tust du denn das?“, wollte Blauvogel wissen.
„Wir stecken immer unsere Lebenserhalter zusammen in die Erde. Wenn die Maishalme heranwachsen, können die Bohnen daran emporklettern. Die Kürbisse ranken sich in die freien Vierecke zwischen den Erdhügeln und halten mit ihren breiten Blättern im Hochsommer die Feuchtigkeit fest, damit der Boden nicht so ausdörrt. So helfen sich unsere Lebenserhalter gegenseitig, und deshalb müssen sie immer zusammen auf einem Acker wachsen.

Auch wie man süßen Saft aus Ahornbäumen gewinnt, lernt Blauvogel.

Beim Sieden von Salz aus dem Salzbach werden die Arbeitsamen von weißen Grenzermilizionären überfallen, dabei etliche Frauen und Kinder erschossen nach dem Motto: „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer“. Verletzt können Blauvogel und seine Indianer-Mutter fliehen. Dadurch begreift er, dass es die „Weißen“ sind, die rücksichtslos Indianern immer mehr von ihren Lebensgrundlagen nehmen. Und damit erlischt bei dem Jungen der letzte Wunschgedanke an eine Rückkehr zu seiner Familie und den weißen Kolonialisten.

In einem der folgenden, sehr langen Winter, als die Vorräte schon fast aufgebraucht sind, wird Blauvogel zum Retter; denn bei der Suche nach Wild bricht er zufällig durch die Schneedecke in die Höhle eines Winterschlaf haltenden Bären, den er geistesgegenwärtig erlegen kann.—

Blauvogel hat sein früheres Leben als Kind von weißen Einwanderern schon so gut wie vergessen, als auch sein Stamm sich der Übermacht der englischen Armee und der brutalen Grenzermiliz ergeben muss. Der englische General verlangt, dass alle geraubten weißen Kinder ausgeliefert und zurück zu ihren Familien gebracht werden sollen. Blauvogel ist tottraurig, doch um die Vernichtung des ganzes Stammes zu verhindern, bleibt ihm nur die Wahl, seine Irokeseneltern, seinen Hund Schnapp und seine Indianerfreunde zu verlassen.

In seiner alten Familie angekommen, ist er ihnen und sie ihm fremd geworden. Als sich das auch nach Wochen nicht ändert, wird ihm deutlich, dass er sich entscheiden muss:

Ein weiteres Leben bei den Weißhäuten oder mit den Rothäuten?

Soll er bei seinen ihm fremdartigen Blutsverwandten bleiben, wohin er nach dem menschlichen Recht gehört? Oder soll er fliehen, wohin sein Herz ihn drängt, zu seinen rothäutigen Seelenverwandten? —

Wer in Indianerbüchern nicht allein „Action“ und Spannung will, sondern gerne mehr über den Alltag und die Sitten der Irokesen erfahren möchte, auch über die Seelenkämpfe eines Jugendlichen, der wird das Buch sehr gerne lesen.

Dabei gibt es noch etwas zu lernen: Für die Irokesen galt Mutterrecht; denn es sind die Klanmütter, welche die Rats-Männer bestimmen. Zeigt sich ein Mann seinen Aufgaben, insbesondere als Vorbild nicht gewachsen, kann er von den Frauen abgesetzt und durch einen anderen ersetzt werden. Wenngleich bei der Jagd oder bei Verteidigung und Angriff die Männer an- und ausführten, insbesondere in Kriegszeiten, so waren doch Frauen mit ihrem Einfluss die Bestimmenden.

 

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