Władysław Szpilman
Der Pianist

Mein wunderbares Überleben

 

Polnischer Originaltitel: Śmierć miasta (Tod der Stadt)

Wer den vielfach prämierten Film „Der Pianist“ kennt, wird das Buch noch viel eindringlicher finden.

Władysław Szpilman ist 27 Jahre alt, Komponist und Pianist mit festem Engagement beim Polnischen Rundfunk, bekannt für sein gepflegtes Äußeres. Da er zwei Jahre in Berlin Musik studiert hat, versteht und spricht er gut deutsch. Sein Makel: er sieht nicht „arisch“ aus, ist Jude.

Deshalb beginnt sein Martyrium im September 1939, nachdem beim „Blitzkrieg“ auch Warschau von der Hitler-Armee eingenommen worden ist und Polen kapituliert hat. Seine folgenden sechs Jahre bis zur Befreiung 1945 sieht man beim Lesen vor sich, so sehr anschaulich beschreibt es Szpilmann.

Das Buch wurde erstmals 1946 in Polen gedruckt, doch durfte keine zweite Auflage erscheinen; denn Szpilman berichtet nicht allein von den deutschen Übeltätern, sondern auch von den Untaten jüdischer Getto-Polizisten, von verräterischen Polen sowie sadistischen ukrainischen und litauischen Wachposten. Wozu Unmenschen fähig sind, sobald sie Macht bekommen oder sich auf Kosten anderer bereichern, macht fassungslos.

Dem Pianisten gelingt es, das Warschauer Getto zu überstehen, er kann sich auch vor dem Abtransport in die Vergasungsfabrik retten, doch dann … muss er sommers wie winters in Ruinen „wohnen“, in ausgebombten Häusern immer auf der Suche nach Essbarem, dauernd auf der Hut, nicht von den Besatzern und ihren Helfern entdeckt zu werden.

Das Schicksal bringt es mit sich, dass einer von der Feindesseite ihn vor dem Hunger- und Kältetod rettet: der deutsche Offizier Wilhelm „Wilm“ Hosenfeld. Von ihm gibt es im Anhang des Buches einige Tagebucheinträge, die einen Menschen zeigen, der auch in der Uniform der Besatzer, unter eigener Lebensgefahr, den Bedürftigen Hilfe leistet.

Doch war dieser Mensch eine von zu wenigen Ausnahmeerscheinungen und wer verstehen möchte, warum Polen, Russen, Weißrussen, Ukrainer in den Deutschen kein Kulturvolk mehr sehen konnten, sollte dieses Buch unbedingt lesen. Horizonterweiternd!

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Schwarz-weiß-Foto: Profilbild von Wim Hosenfeld in weißer Wehrmachts-Uniform
Wilhelm Hosenfeld

Zwei Jahre vor seinem Tod wird Władysław Szpylman bei einem Interview* auch diese Frage gestellt:
„Genügt ein Mensch wie der Wehrmachtsoffizier Hosenfeld, um Hoffnung zu haben?“

Szpylmans Antwort:

Hosenfeld war ein wunderbarer Mann. Juden oder nicht Juden, er hat alle gerettet, auch Priester. Und ich bin sicher, daß solche Männer für jedes Land sehr viel wert sind. Als ich ihn traf, hatte ich keine Kräfte mehr. Da kam er und hat gesagt: „Haben Sie keine Angst.“
Er hat „Sie“ gesagt, nicht „Du“. Die haben uns immer geduzt. Er sprach nicht wie ein Nazi. Schon allein das hat mir geholfen …

* „Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt“ Ausgabe Nr. 10/1998

 

Auszüge aus den Tagebüchern von Wilm Hosenfeld:

Warschau, 13. August 1942
[…] Man muß sich immer wieder fragen: Wie ist das möglich, daß unser Volk ein solches Gesindel beherbergt? Hat man aus den Zuchthäusern oder Irrenanstalten die Verbrecher und Anormalen herausgelassen und verwendet sie hier als Bluthunde?

… Was sind wir für Feiglinge, daß wir, die besser sein wollen, das alles geschehen lassen. Darum werden wir auch mitgestraft werden. Auch unsere unschuldigen Kinder wird es treffen, denn wir machen uns mitschuldig, indem wir die Frevel zulassen.

 

1. September 1942
Warum mußte dieser Krieg überhaupt kommen? Den Menschen sollte einmal vor Augen geführt werden, wohin sie in ihrer Gottlosigkeit kommen. Erst hat der Bolschewismus Millionen umgebracht, um angeblich eine neue Weltordnung herbeizuführen. Der Bolschewismus konnte das nur tun, weil er sich von Gott und den christlichen Lehren abgewandt hat, dann tut der Nationalsozialismus in Deutschland dasselbe.

 

14. Februar 1943
[…] es ist ganz unverständlich, daß wir solche Greueltaten haben begehen können an den wehrlosen Zivilbewohnern, an den Juden. Ich frage mich oft und oft, wie ist das möglich? Eine Erklärung nur gibt es, diese Menschen, die das tun konnten und die das befahlen und geschehen ließen, haben alle Maße der sittlichen Verantwortung verloren, sie sind gottlos durch und durch, krasse Egoisten und tiefstehende Materialisten. Als die schrecklichen Judenmassenmorde, die Hinschlachtung von Kindern und Frauen im vergangenen Sommer geschahen, da wußte ich mit aller Deutlichkeit, jetzt verlieren wir den Krieg.

 

16. Juni 1943
[…] Wir haben eine unaustilgbare Schande, einen unauslöschlichen Fluch auf uns geladen. Wir verdienen keine Gnade, wir sind alle mitschuldig.
Ich schäme mich, in die Stadt zu gehen, jeder Pole hat das Recht, vor uns auszuspucken. Täglich werden deutsche Soldaten erschossen. Es wird noch schlimmer kommen, und wir haben kein Recht, uns darüber zu beschweren, wir haben’s nicht anders verdient, jeden Tag wird es mir unheimlicher zumute.

 

6. Juli 1943
[…] Wir sind so gerne geneigt, einem anderen die Schuld zu geben und sie nicht bei uns selbst zu suchen. Gott läßt das Böse geschehen, weil es sich die Menschen selbst zuzuschreiben haben, wenn sie nun die Plage ihrer eigenen Bosheiten und Unvollkommenheiten zu spüren bekommen. Wir haben seinerzeit, als die Nazis zur Macht kamen, nichts getan, um es zu verhindern, wir haben die eigenen Ideale verraten. … Ideale lassen sich nicht ungestraft verraten, jetzt müssen wir alle die Folgen tragen.

 

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