Nicholas Kalashnikoff
Fass zu, Toyon!

Amerikanischer Originaltitel: Toyan, a Dog of the North and his People

„Gut so, Toyon“ wurde es für die niederländische Ausgabe „Goed zo Toyon“ übersetzt, ein Buchtitel, der viel besser zum Inhalt als „Fass zu“ passt; denn der große, starke Hund Toyon kann viel mehr als nur zufassen, zupacken.

Zu Beginn der begeisternden Erzählung begleiten wir einen zwanzigjährigen jungen Mann, der aus politischen Gründen für fünf Jahre nach Nordsibirien verbannt wird. Auf der langen Reise ins Lager darf er für drei Nächte in einer kleinen Siedlung rasten. Dort ist er zu Gast bei Guran und dessen Familie mit deren Hund, der ihn an einen gezähmten Wolf erinnert, dessen Augen von großer Intelligenz zeugen, aber auch von einem Leben voll Leid und Erfahrung sprechen.

Auf Nachfrage des Gastes erzählt Guran die Entwicklung Toyons vom Welpen bis zum legendären Hund und damit verbunden vom Werdegang der ganzen Familie.

Ein Gottesgeschenk sehen Guran und Anna, seine Ehefrau, in dem Welpen Toyon. Und sein „Herrchen“ sagt über den Hund:

Entdecke seine angeborenen Gaben, dann entfalte sie durch das richtige Training.

Wir müssen ihn nur richtig erziehen. Er soll fühlen, dass er unser Freund ist, ein Mitglied der Familie – nicht, dass wir nur seine Herren sind, die ihn füttern und dafür Gehorsam fordern.

Gut beschrieben wird, wie junge Hunde durch Nachahmung von Mutterhunden, älteren Hunden oder Menschen immer mehr lernen.

Jung-Toyon erheitert seine Menschen durch Kapriolen und bald reißt er auch den gutmütigen „Faulpelz“, den älteren behäbigen Hofhund, zum Mehr-sich-Bewegen mit. Von ihm lernt das Jungtier, dass nicht allein Mut, sondern Vorsicht genauso wichtig ist.

Der weitere Lebensweg Toyons zeigt, zu welchen Leistungen Hunde fähig sind, wenn ihre verschiedensten Fähigkeiten durch Erziehung gefördert und durch Aufgaben herausgefordert werden. Während wir heutzutage Hunde oft nur als Gesellschaftstiere kennen, die stundenlang auf ihren nächsten Spaziergang warten müssen, so ist es bei den in Nordsibirien heimischen Tungusen anders; denn diese von Viehzucht und Jagd sich ernährenden Menschen könnten ohne Hunde nicht überleben. Es sind Hunde wie Toyon, die bei der Jagd unerlässlich sind und außerdem die Rentiere, Schafe, Kühe, Pferde und … Kinder hüten. Hunde, die Wölfen sich entgegenstellen und üblen Leuten Einhalt gebieten. Dabei wittern die Hunde nicht nur mit der Nase, sondern durch einen besonderen Sinn.

Feinsinnig beschreibt der Autor, wie Menschen oft Warnungen erhalten: durch ihre Hunde, was oft nicht beachtet wird oder durch Träume oder wie Anna ihre weibliche Intuition ausspricht, auf die ihr Mann nicht immer hören will, was dann dazu führt, dass Guran die bittere Erfahrung machen muss:

Unglück schmerzt, doch öffnet es die Augen.

Als der junge Ziehsohn Dahn im frühen Winter um jeden Preis der Erste sein will, der im Fluss ein Eisloch haut, um Fische zu angeln, gibt ein alter Mann ihm den Rat:

Versuch nicht, die Natur anzutreiben. … Lass das Eis dick und fest werden.

Doch Dahn in seinem Ehrgeiz begibt sich trotz Warnungen von Mensch und Hund aufs dünne Eis, bringt damit sich und den ihn begleitenden Toyon in Lebensgefahr.—

Nicholas Kalashnikoff konnte dieses Buch so wirklichkeitsgetreu schreiben, weil er selbst von seinem 17. bis 21. Lebensjahr nach Sibirien verbannt worden war. Dabei muss der gute Beobachter viele Erfahrungen mit Tieren gesammelt haben; denn er schreibt unter anderem von Hunden, die bei Unwohlsein oder Krankheit sich selber Heilkräuter suchen und diese fressen, eine Tatsache, die auch ich mehrmals bei eigenen Hunden gesehen habe.

Deutlich wird wie Hunde bei drohenden Gefahren auch von der Einstellung der Menschen beeinflusst werden; denn als der Hund
„Blackie sah, dass Dahn nicht aufgeregt war, schöpfte auch er Mut und hielt forschend Ausschau nach den Wölfen.“

Und dass Hunde auch auf Gedankenübertragung reagieren, ist dem Autor zur Gewissheit geworden:

Da es mir nicht länger seltsam erschien mit Hunden Gedanken auszutauschen …

Im Gegensatz zu Märchen oder Erzählungen, in denen Tiere vermenschlicht werden, sind bei Kalashnikoffs Erzählungen hochentwickelte Tiere keine Menschen auf vier Pfoten, sondern Wesen mit Seele, die den Menschen Freund und Helfer sein können. Wobei Guran sogar davon ausgeht, dass der „gute Geist“ von Dahns Großvater durch den Hund „wirkt“.

Als am Ende der Geschichte der junge Mann weiter ziehen muss zum Gefangenenlager, ist er gestärkt durch die Gastfreundschaft der Tungusenfamilie:

Eine Gegend, in der so gütige, einfache Menschen zu finden waren, konnte nicht schlecht sein. Es war ein erwärmender Gedanke angesichts von fünf Jahren in diesem frostigkalten Lande des Nordens. Und wiewohl Toyon mir als mit geheimnisvollen Kräften begabt vorgestellt wurde, besann ich mich darauf, dass er so außergewöhnlich nur jenen war, die ihn liebten. Was er getan hatte, könnten kluge und treue Hunde auf der ganzen Welt tun.

Ab 10 Jahren.

Pu

 

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