Michael Ende
Momo

Ab 9 Jahren.
Für Erwachsene von höchster Aktualität

“Momo” darf auf keinen Fall fehlen bei den Buchempfehlungen, finde ich. Es ist mein Lieblingsbuch, und ich verschenkte es oft und nicht nur an Kinder. Im Hier und Jetzt sein, zuhören, dem Augenblick Tiefe geben, Freundschaft und Treue schenken…
In unserer schnellen, oberflächlichen, digital befeuerten Zeit ein wichtiges Buch.

In Michael Endes Roman stellt sich die kleine Momo den „grauen Herren“ entgegen, den Zeiträubern. Momo hat nämlich eine Gabe: Sie konnte wunderbar zuhören:

Sie konnte so zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken kamen. Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den anderen auf solche Gedanken brachte, nein, sie saß nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und aller Anteilnahme. Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an, und der Betreffende fühlte, wie in ihm Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten.

BPH

Gabriele Hoffmann vom Verein Leseleben findet es sehr aufregend, „Momo“ zu lesen unter dem Aspekt: wie digitale Medien uns die Zeit stehlen.
„Momo“ als Buch! Da beim Film vieles untergeht.

 

VOM ZEIT-SPAREN, OHNE RÜCKSICHT AUF DIE KINDER

In „Momo“ beeinflussen die „Grauen Herren“ die Menschen so  raffiniert , dass diese glauben, der Gedanke, Zeit zu sparen, sei ihr eigener gewesen. So reden die „Agenten“ dem Friseur Fusio ein, er solle schneller arbeiten, alles Unnötige weglassen, seinen Wellensittich weggeben, seine Mutter nicht mehr besuchen usw. Nach und nach geraten immer mehr Menschen unter den Einfluss der grauen Männer.

Selbst ihre freien Stunden mussten, wie sie meinten, ausgenutzt werden und in aller Eile so viel Vergnügen und Entspannung liefern, wie nur möglich …… Keiner wollte wahrhaben, dass sein Leben immer ärmer, immer gleichförmiger und immer kälter wurde. Deutlich zu fühlen bekamen das die Kinder, denn auch für sie hatte nun niemand mehr Zeit.

An  Momo jedoch, einem kleinen Mädchen, prallten die Überredungs- und Verführungsversuche  der „Grauen“  vollkommen ab. In ihr sehe ich das Symbol der echten, lebendigen Kindlichkeit! Mit kindlich – nicht mit kindisch (die deutsche Sprache unterscheidet da sehr treffend) –  verbinden wir  Spontanität, Unbefangenheit, Natürlichkeit, Schlichtheit. Kindliche Menschen – das können auch Erwachsene sein – strahlen Lauterkeit, Herzenswärme und Heiterkeit aus. Kindlichkeit lebt im Jetzt, ist nicht berechnend, hat also somit all die Eigenschaften mit denen keine „Zeit zu sparen“  ist.

Im Gegensatz dazu steht für mich der kalte, berechnende Intellekt, verkörpert in den Grauen Männern. Sie versuchen die Kinder zu vereinnahmen, um sie zu „nützlichen und leistungsfähigen Mitgliedern der Gesellschaft“ zu machen. Weil die Eltern keine Zeit mehr haben,  werden für die Kinder „Depots gebaut“, wo man sie zur Aufbewahrung abgibt.

KINDER BRAUCHEN ZEIT UND ERZIEHUNG BRAUCHT ZEIT

Die „Grauen“ erreichen es, die Erwachsenen davon zu überzeugen, das „Menschenmaterial der Zukunft“ in ihrem Sinne nutzbringend zu erziehen! Nun kann man fragen: Ist dies auch für die Kinder „nutzbringend“?  Den wahren Nutzen muss eindeutig das Kind haben! Also nicht Wirtschaft, nicht eine staatliche Ideologie oder kurzfristige gesellschaftliche Anschauungen. Kinder brauchen Zeit, und Erziehung bedeutet auch, sich die Zeit zu nehmen für Zuwendung.

UK

ZUHÖREN, WER KANN DAS NOCH?
Plädoyer für ein vergessenes Talent

Lehrer, die gegen eine dauernde Geräuschkulisse anreden, Nachrichten, die ganz nebenbei mit Tastenklick über das Handy weitergegeben werden, Gespräche, die vor laufendem Fernseher, Radio oder Computer stattfinden, Musikberieselung im Supermarkt, im Restaurant, in sanitären Räumen – Alltag in einer Zeit, in der gesprochen wird, ohne dass man sich der Aufmerksamkeit des Empfängers sicher ist.

Der Begriff »zuhören« im Sinne von »hinhören« bedeutet, sich einer Person oder Sache zu öffnen.

Versuchen Sie einmal einen Tag lang, allen Menschen, die Ihnen etwas sagen wollen, Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken. Versuchen Sie dabei, möglichst Blickkontakt zu ihnen zu halten. Ungeteilte Aufmerksamkeit: Also, Sie tippen nicht gleichzeitig auf der Tastatur Ihres Computers, Sie legen währenddessen keine Wäsche zusammen, fahren nicht Auto und kauen keinen Kaugummi.
Sie werden staunen, wie sehr sich die Welt für Sie plötzlich verändert!

Das Hören ist dem Menschen angeboren – im Gegensatz zum Sprechen, das erst erlernt und geübt werden muss. Das Zuhören ist nicht angeboren – anders als das Hören – und muss wie das Sprechen erst geübt werden.

Zuhören: Der Verb-Zusatz »zu« gibt die Bewegung in Richtung auf ein Ziel an und macht aus dem Hören ein Zuhören: die innere Ausrichtung, die Hinwendung zu jemandem. Zuhören ist zielgerichtetes Hören.

Zuhören ist blicken in die Seele des anderen. Wir hören, was hinter einem Wort, einem Klang oder einem Laut steht. Sprachbarrieren können so überwunden und Tiere in ihrem Wesen verstanden werden.

»Die Zeit wird nicht nach der Länge, sondern nach der Tiefe gemessen«, formulierte die Schriftstellerin Isolde Kurz. Zuhören ist ein guter Weg, dem Augenblick wieder Tiefe zu geben.

Wunderbar zuhören konnte die kleine Momo, »mit aller Aufmerksamkeit und aller Anteilnahme. Dabei schaute
sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an …«

Aufmerksamkeit, Anteilnahme, Blickkontakt – dies sind die drei Grundpfeiler des Zuhörens.

Paare, Freundinnen, Kollegen sollten den Satz »Wir müssen reden« in Zukunft durch »Wir müssen einander
mal zuhören« ersetzen.

Aufmerksamkeit, Anteilnahme, Blickkontakt.
Versuchen wir es einmal!

BPH

 

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