Die Brüder Löwenherz

Astrid Lindgren
Die Brüder Löwenherz

Tiefsinn, wie es in der Jugendliteratur selten zu finden ist, steckt in der Geschichte «Die Brüder Löwenherz». Ein hervorragender Klassiker, der aufzeigt, wie jeder Einzelne durch Selbstüberwindung und Heldentum im Kampf für das Gute siegt. Und noch tiefer greift die Erzählung von Astrid Lindgren: Sie nimmt dem Leser die Angst vor dem irdischen Tod, weil sie den Wechsel zwischen dem Dies- und Jenseits und der Körper(-hüllen) in natürlicher Weise beschreibt.

Im Bewusstsein, dass dieses Buch ein Klassiker ist, habe ich mir trotzdem erlaubt, den Schluss der Geschichte abzuändern. Dies, weil ich es unbedingt meinem Sohn vorlesen möchte, jedoch der Schluss aus meiner persönlichen Sicht äußerst problematisch ist. Die Brüder Löwenherz – die sich bisher mutig allen Gefahren und ihrem Schicksal gestellt haben – stürzen sich selbst in den Tod. Sich selber das Leben zu nehmen, hat für mich nichts mit Heldentum zu tun. Selbst wenn wir körperlich leiden, sind wir auf einem Weg, der uns Lebenserfahrung und damit inneren Reichtum bringt. Es ist eine ganz andere Situation als beim Sprung aus dem brennenden Haus im vordersten Teil des Buches. Dort wollte Jonathan «Leben retten» und schaute dabei nicht auf die eigene Gefahr.

Ich habe versucht, möglichst bei den Worten und der Art der Autorin zu bleiben, denn sie gab der Welt viel Gutes mit diesem Buch! Und wer weiß: Vielleicht sieht es Astrid Lindgren inzwischen ähnlich, da sie nun selbst in «Nangilima» oder einem zu ihr passenden Land – jenseits, sich befindet…

U. M.

Änderung nach der Hälfte des 16. und letzten Kapitels:

…Mitten in unser Schweigen hinein sagte Jonathan plötzlich:

«Du, Krümel, ich muss dir etwas sagen!»

Sofort bekam ich Angst: Wenn er so sprach, dann war es sicher etwas Trauriges.

«Was musst du mir sagen?», fragte ich.

Er strich mir mit dem Zeigefinger über die Wange.

«Hab keine Angst, Krümel…aber weisst du noch, was Orwar gesagt hat? Dass die allerwinzigste Flamme von Katlas Feuer ausreicht, einen Menschen zu lähmen oder zu töten, erinnerst du dich, dass er das gesagt hat?»

«Ja, aber warum musst du jetzt davon sprechen?», fragte ich.

«Weil», sagte Jonathan, «weil eine winzige Flamme von Katlas Feuer uns getroffen hat, als wir vor ihr flohen.»

Das Herz war mir den ganzen Tag über schwer gewesen von all dem Kummer und Schrecken, aber ich hatte nicht geweint. Jetzt brach das Weinen fast wie ein Schrei aus mir heraus.

«Müssen wir jetzt wieder sterben, Jonathan?» schluchzte ich.

«Ja!»

Er erklärte mir, wie jeder Körper, der mit Katlas Feuer in Berührung kommt, langsam erlahmt, und zuletzt auch das Herz erlahmt, sodass der Körper nicht mehr als Behausung benutzt werden kann.  

«Aber, vielleicht geht das ja vorüber?»

«Nein, Krümel, das geht nicht vorüber», sagte Jonathan, «jedoch nach Nangilima», und Jonathan blickte in die Ferne, «nach Nangilima kann uns die üble Wirkung des Feuers nicht folgen.»

Jetzt begriff ich!

«So werden wir beide sterben?» rief ich verzweifelt, und meine Augen brannten von den heißen Tränen, die über meine Wangen rollten.

«Ja, das werden wir. Doch kaum sind wir dort, sehen wir auch schon vor uns den Pfad zum Apfeltal. Und da stehen Grim und Fjalar bereit und warten auf uns. Wir brauchen uns nur in den Sattel zu schwingen und loszujagen.»

«Und dann sind wir nicht mehr gelähmt?» fragte ich.

«Nein, dann sind wir frei von allen körperlichen Leiden und so froh wie noch nie, weil wir für das Gute gekämpft und dabei uns selbst vergessen haben. Du, Krümel, bist dann froh, weil du über deine Ängste gesiegt hast. Du fühlst dich leicht und frei! Sieh, der Weg zum Apfeltal führt durch den Wald, und wie wird uns, dir und mir, zumute sein, wenn wir dort in der Morgensonne reiten, was meinst du?»

«Herrlich!», rief ich aus und war selbst erstaunt über meinen aufkommenden Übermut.

Jonathan lächelte: «Wir müssen uns nicht beeilen. Wenn wir Lust haben, können wir unterwegs in einem kleinen See baden. Wir kommen trotzdem im Apfeltal an, bevor Matthias die Suppe fertiggekocht hat.»

«Wie er sich freuen wird, wenn wir kommen», sagte ich. Doch dann traf es mich wie einen Keulenschlag. Grim und Fjalar, wie sollten wir sie mit nach Nangilima bekommen, wie stellte Jonathan sich das vor?

«Wie kannst du nur sagen, dass Grin und Fjalar dort schon auf uns warten? Sie liegen ja dort drüben und schlafen.»

«Sie schlafen nicht, Krümel! Sie sind tot. Durch Katlas Feuer. Was du da drüben siehst, ist nur die äußere Hülle. Glaub mir, Grim und Fjalar stehen schon am Weg zum Apfeltal und…»

Weiter konnte Jonathan nicht sprechen. Seine Augen nahmen einen sonderbaren Glanz an. Es war, als sei auch sein Körper nur noch eine leere Hülle. Ich erschrak:

«Nimm mich mit, lass mich nicht allein!», flehte ich und merkte, wie sich die Angst gleich einer dunklen Wolke über mich ergoss. Ich sackte in mich zusammen. Doch – wie hatte Jonathan gesagt? Wenn ich in Nangilima sein werde, werde ich froh sein, weil ich meine Ängste überwunden habe?

«Wenn ich die Angst nicht jetzt überwinde, bin ich nur ein Häuflein Dreck und werde ein Häuflein Dreck bleiben!» Meine Stimme wurde fest und klar: «Jonathan, ich habe keine Angst!»

Unmittelbar wurde es heller um mich herum und ich spürte eine tiefe Ruhe, die ich nie zuvor gekannt hatte. Getrost schloss ich die Augen. «Jonathan, ich werde dir folgen. Oh, Nangilima! Ich sehe dein Licht, ich sehe…» 

 


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Die drei Lichter der kleinen Veronika

Manfred Kyber
Die drei Lichter der kleinen Veronika

 

„Die drei Lichter der kleinen Veronika“ hat mich schon als Kind sehr beeindruckt, als es mir meine Mutter vorlas. Es gehört für mich zu den starken Eindrücken meiner Kindheit.

Ein beeindruckendes Buch auch für Jugendliche und Erwachsene. Es kann dem Leser starke und wichtige Eindrücke geben.  Tiefsinnig, also anders als gewohnt werden hier Lebensläufe in ergreifender und natürlicher Weise geschildert, die auch über das irdische Leben hinausgehen.

Insbesondere das Leben und der Werdegang der kleinen Veronika bis zu ihrem frühen Hinübergehen, ebenso wie das Wirken ihres Mentors Johannes Wanderer in einfühlsamer und edler Weise „im Garten der Geister und im Haus der Schatten“, wie es im Buch bezeichnet wird.

Dennoch gleitet das Buch so gut wie nicht ab in mystische oder fantastische Bereiche; sondern bleibt meist klar und wirklich.

Es gibt meines Erachtens in diesem Buch nur wenige Kritikpunkte, die mir damals als Kind und später als Jugendlicher nicht so klar wurden oder auf Unverständnis stießen, die mir aber jetzt beim erneuten Lesen auffallen:

Im Klappentext des Buches wird angekündigt, dass es „mehr als nur ein esoterisch-fantastisches Märchen“ sei. Richtig, aber nur, wenn man die Schilderung des Wanderverkäufers Aron Mendel, der angeblich hier seine „Bürde“ für einen anderen Menschen trägt und auch die erzählte Begegnung Veronikas nach ihrem Ableben mit Jesus weglässt, also dann aus meiner Sicht nicht in eine ungünstige Richtung geht an einem Punkt, wo man schon weiter als sonst gekommen ist. Immerhin wird dann in dem Buch sogar erklärt, dass es gegen das Gesetz verstoße, die Schuld eines anderen Menschen auf sich zu nehmen. Der Leser möge sich auch fragen: Kann man Jesus im Jenseits treffen? Warum sollte Jesus jetzt in das irdische Leben eingreifen?

Es bedarf also eines wachen Geistes, einer regen Empfindung, wie auch bei anderen aufbauenden Büchern, Filmen und Erzählungen, um nicht nur aufzunehmen, sondern auch mit der eigenen Empfindung alles Gebotene stets abzuwägen.

Dann hat dieses Buch von Manfred Kyber überwiegend viele gute Seiten und ist geeignet, den Leser innerlich zu heben durch eine schöne edle Sprache und auch im Inhalt durch das Bemühen der handelnden Personen nach innerer seelischer Reifung, ohne zu schweben, also im praktischen irdischen Leben. Auch begegnen wir hier ganz zwanglos und natürlich dem Wirken der Tiere und des Elementaren, also den Naturwesen, die den meisten Menschen jetzt leider nicht mehr spürbar sind.

Das Büchlein ist zum ersten Mal erschienen im Jahre 1929, aber heute noch in Neuauflagen erhältlich und hat nur 170 Seiten, in der Form eines Bildungsromans, von dem auch noch viele heutige jüngere, aber auch ältere Menschen inneren Gewinn schöpfen können.

Es gehört zu den Büchern, die uns Mut und Kraft zu einem erfüllteren Leben geben können, besonders heutzutage in einer Zeit der Grobheit, Oberflächlichkeit, Äußerlichkeiten und der oft verrohten Nur-Gefühle. Die zweite Person der Handlung, Johannes Wanderer gerät dann auch in den Strudel von „romantischen“ Ereignissen und die Handlung droht dadurch abzugleiten.  Doch wird an diesem Punkte überzeugend aufgezeigt, wie hier stellvertretend für uns, Johannes Wanderer auch in solchen schwierigen Momenten seinen klaren Empfindungen folgen kann und somit sein inneres Ziel nicht verlieren muss.

S.D.

Vom selben Autor: „Neues Menschentum“

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Sturmboy – Der Junge und sein Pelikan

Colin Thiele
Sturmboy
Der Junge und sein Pelikan

Original: Storm-Boy

Ein dünnes Büchlein, das man in etwas über einer Stunde lesen kann, doch davon berührt, ist man noch Stunden danach: Ein kleiner Junge und sein Pelikan. Mehr „verrate“ ich nicht …

R. K.

Kurz und schlicht, in einer guten Sprache erzählt, alles sehr anschaulich beschrieben:

Ein kleiner Junge findet drei Pelikan-Küken, deren Eltern von Natur-Randalierern umgebracht wurden. Zusammen mit seinem Vater zieht er diese Küken auf bis sie ausgewildert werden können. Doch dann kehrt der eine der Drei zurück und weicht Sturmboy nicht mehr von der Seite.

Als während eines Orkans, wenige hundert Meter von der Meeresküste entfernt, ein kleines Schiff mit seiner Besatzung kentert, bleibt als einzige Rettungsmöglichkeit der Pelikan …

Ab 10 Jahren

G. K.

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Pollyanna

Eleanor Porter
Pollyanna

Die elfjährige Pollyanna ist im Haus ihrer Tante zunächst nicht sehr willkommen. Doch das Waisenkind hat eine Glücksformel: Sie findet in allem etwas, über das man froh sein kann. Das Mädchen erobert die Herzen der Menschen und entdeckt das Geheimnis ihrer vergrämten Tante. Da wird die so überschäumend fröhliche Pollyanna vom Schicksal auf eine harte Probe gestellt. – Amerikanische Kinder lieben seit vielen Generationen dieses Buch, das Lebensfreude und Zuversicht verströmt. (Verlagstext)

Mädchen im langen rosa Klreid hat sich auf eine Wiese gelegt, im Hintergrund ein Getreidefeld. Umschlagbild zu Eleanor Porters "Pollyanna" in der Buch-Ausgabe des Anaconda-Verlags.

Ein Buch, das Kinder und Erwachsene froh macht, von Anfang bis Ende empfehlenswert.

Ab 11 Jahren.

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Kosaken gegen Kutschum-Khan

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Kosaken gegen Kutschum-Khan

 

Der fünfzehnjährige Mitja sehnt sich nach Abenteuern in der Ferne. Er schließt sich dem Kosaken-Führer Jermak und dessen Hundertschaften an. Das sind draufgängerische, kampflustige Männer, die sich von Überfällen auf Handelskarawanen „ernähren“, bis sie den Auftrag einer reichen Händlerfamilie annehmen, Sibirien für deren Geschäfte und den russischen Zar zu erobern. Während der Vorbereitung auf den Feldzug lernt Mitja einen Arzt kennen, dem er zur Hand geht und dabei einiges über Wundversorgung und Heilmittel aus der Natur lernt.

Dann zieht Mitja unter dem Oberfehl Jermaks mit einer Truppe von achthundert Männern in das unwegsame Land östlich des Ural-Gebirges. Essen und Pferde „holt“ man sich aus Dörfern von Einheimischen.

Bei den Kämpfen gegen die Übermacht der Tataren unter deren Oberhaupt Kutschum-Khan erlebt Mitja das erbarmungslose Schlachten, den gegenseitigen Hass, das Rachenehmen auf beiden Seiten, was ihm mehr und mehr sinnlos und unwürdig vorkommt. Tagsüber kämpft er in vorderster Reihe gegen die „ungläubigen“ Tataren, um dann abends so gut er es kann, die Verletzten und Sterbenden zu betreuen.—

Die Kolonialisierung Sibiriens durch russisch-„christliche“ Schwerter und Feuerwaffen beschreibt die Autorin drastisch und realistisch, aber auch einfühlsam anhand des jungen Mitja, der sich schließlich entscheidet, seine Hingabe und sein Können nicht mehr zum Schlagen, sondern nur noch zum Heilen von Wunden zu verwenden.

Ab 13 Jahren, speziell für Jungs, die es aktionsreich und spannend mögen.

Pu

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