Willi Fährmann
Zeit zu hassen, Zeit zu lieben
Ein Jugendbuch, das auch Erwachsene packen kann. Realistisch und spannend beschrieben werden die Jahre im Deutschland nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, als die Bevölkerung unter Arbeitslosigkeit und den hohen Reparationszahlungen an die Siegermächte stöhnt. Hinzu kommt Bürgerkrieg zwischen Anhängern verschiedener politischer Anschauungen; denn aus Partei- und Journalisten-Hetze folgen Hetzjagden und Straßenschlachten, bei denen es auch zu Totschlag kommt.
Der Leser erlebt durch die zwei Hauptpersonen, den 22-jährigen Schlosser Paul Bienmann und den 14-jahrigen Bruno, deren verzweifelte Suche nach Arbeit bzw. einer Lehrstelle.
Eine fast unvorstellbare Teuerungswelle macht es besonders für die „kleinen“ Leute schwer. Der Wochenlohn muss schnellstens für Lebensmittel oder „bleibende“ Werte ausgegeben werden; denn schon nach zwei oder drei Tagen verliert das in der Vorwoche verdiente Papiergeld mit aufgedruckten Millionenbeträgen den Großteil seiner Kaufkraft.
Vorurteile und große Spannungen gibt es nicht allein zwischen Kommunisten und Nationalisten, sondern auch zwischen Katholiken und Protestanten, zwischen sozialistischen und christlichen Gewerkschaften. Somit erinnert der Buchinhalt an unsere Gegenwart, an das heutige Gegeneinander von Muslimen, Christen, Juden, von Inländern und Zugereisten, von politisch links und rechts Stehenden, von Streikenden und Streikbrechern. Neid der Armen und die Arroganz der Reichen verschärfen die Situation.
Bruno hofft den Mann zu finden, der seinen älteren Bruder bei einer politischen Demonstration in Berlin erschossen hat. Als er ihm nach Jahren zufällig trifft, stellt er fest, dass dieser von ihm gehasste Mann doch seine guten Seiten hat … –
Der Autor versteht es sehr gut, reale geschichtliche Ereignisse durch seine Romanfiguren miterlebbar zu machen. Im Falle dieses Buches sind es die Jahre, in denen die Deutschen die Weichen stellen, wohin ihre Zukunft gehen soll. Eine Epoche, in der sich viele einen Helfer und Führer aus der großen geistigen und irdischen Not erhofften.
Ab 14 Jahre
Pu
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Johann Wolfgang von Goethe
Die Leiden des jungen Werther
Selbst geschaffene Liebes-Leiden eines jungen Menschen beschreibt Goethe in seinem ersten Roman, womit der damals 25jährige Autor in Deutschland und Europa berühmt wird.
Der junge Werther sieht (Char)Lotte erstmals beim Abendbrotbereiten für ihre Schwestern und Brüder. Deren Mutter ist vor Kurzem gestorben. Am Sterbebett hat Lotte versprochen, für ihre acht jüngeren Geschwister und den Vater zu sorgen.
Für Werther ist es Liebe auf den ersten Blick. Von Lottes Wesen und Äußerem entflammt er vollends, als er in den nächsten Wochen aus weiteren Gesprächen bemerkt, dass die beiden sich für Gleiches begeistern können.
Seine schwärmerisch-guten Empfindungen steigern sich bis die Verliebtheit den jungen Mann verzehrt. Erst ist ihm himmelhoch jauchzend, dann zu Tode betrübt, schließlich besessen von der fixen Idee: Ich kann nicht ohne sie leben …
Als er erfährt, dass sie ihren Verlobten Albert geheiratet hat, nährt er Gedanken, er könne Lotte besser verstehen als ihr Ehemann, stünde ihr seelisch näher, sei daher der Passendere für diese Frau.
Aus einer anfangs sauberen Zuneigung wird ein ungestümer „Sturm und Drang“, der zu einer unkontrollierten Begierde entartet, eigensüchtig, ohne Rücksicht auf Lotte und Albert. Der anfänglich idealistische Schwärmer verliert den Halt.
Das junge Paar versucht dem Freund aus seiner „Depression“ zu helfen. Doch Werthers Verzückung der Gefühle, seine Fantasien mit ungezügelten Gedanken der Eifersucht und Leidenschaft schaffen Leiden, nicht allein für ihn, sondern auch für das Objekt seiner begehrenden Liebe.
Das Buch gilt als der erste deutschsprachige „Kultroman“, hatte auch in seinen englischen und französischen Übersetzungen großen Erfolg, fand aber auch vehemente Ablehnung durch viele Kritiker.
Vor zwei Jahrhunderten in einem Deutsch der Klassik geschrieben, sind die Gefühle und Gedanken von damals nicht anders als sie heute sein können.
Charlottes edles weibliches Wesen im Buch vor sich zu sehen, ist schön. Doch durch Goethes präzise Innenleben-Schilderungen eines schwärmerisch veranlagten jungen Mannes, der in seelische Trübsal und krankhafte Schwermut verfällt, ist es schwere Lese-Kost. Ob man diesen Roman gut für sich findet oder nicht, gleichgültig lässt er nicht; denn Goethe beschreibt eindringlich wie Empfindungen und Gedanken zu Worten und Taten werden, wie ein gut veranlagter Mensch sich durch eigensüchtige Verliebtheit hineinmanövriert in eine menschliche Katastrophe.
GK
Ebenfalls von Goethe: „Wilhelm Meisters Lehrjahre“
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Lewis Wallace
Ben Hur
Originaltitel: Ben-Hur: A Tale of the Christ
Das im 19. Jahrhundert nach der Bibel meistgedruckte Buch „Ben Hur“ wurde von 1907 bis 2016 sechs Mal verfilmt! Das Pferdegespann-Rennen, im 11fach-oscarprämierten Film von 1959 der Höhepunkt, ist im Buch nur einer von vielen Höhepunkten.
Seine Verfilmungen übertrifft dieser historische Roman durch seine Breite und vor allem durch Tiefgang. Die Handlung kommt erst ab dem zweiten Kapitel von Teil 2 in Fahrt, um sich in Tempo und Spannung bis zum achten und letzten Buchteil zu steigern.
Dabei folgt der Leser der Entwicklung des Juden Ben Hur von seinem 17. bis 30. Lebensjahr. Auf Betreiben seines Jugendfreundes Messala, einem Römer, wird er unschuldig zu lebenslänglichem Rudern auf einer Kriegsgaleere verurteilt. Während eines Seegefechts rettet er den römischen Flotten-Kommandeur Quintus Arrius vor dem Ertrinken, wird von ihm adoptiert und kann später in Rom eine Wagenlenker- und Krieger-Ausbildung bekommen, um dann als Erbe seines Adoptivvaters unermesslich reich zurückzukehren in sein Heimatland.
Heimlich geht Ben Hur daran, drei Legionen an jüdischen Männern zu sammeln, bildet deren Hauptleute im Waffenführen und römischer Disziplin aus; denn er plant einen Aufstand, um seine Heimat von der römischen Herrschaft zu befreien. Dabei erwarten diese Männer, Jesus würde sich von ihnen als König der Juden krönen lassen, um sie endgültig von der Geißel der Römer zu befreien.
Befreien will Jesus die Menschen, jedoch von ihrer trägen Gottabgewandtheit und Unsittlichkeit, von Neid und Hass auf Nebenmenschen, von Sich-etwas-Besseres-Dünken und Eitelkeit. Er will die Menschen wieder zu Gott führen, von dem sie sich entfremden ließen durch das Diktat der Priester und die Irrlehren der Schriftgelehrten.
Die Legion der Galiläer will Jesus zu ihrem König „machen“, aber Er lässt das nicht mit sich machen. Im Gegensatz zu den meisten Priestern schürt Jesus keinen Hass gegen die Römer. Er will nicht irdische Macht oder „König“ der Juden werden. Deshalb wenden sich Menschen und „Volksmeinung“ wieder ab von Jesus, nachdem sie ihn zunächst mit jubelnden „Hosiannah“-Rufen in Jerusalem empfangen hatten. Sie fühlen sich in ihren selbstsüchtigen Wünschen enttäuscht und schreien:
„Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!“
Da steht Ben Hur vor der Entscheidung seines Lebens, doch:
Kein Mensch kann voraussagen, was er tun würde, wenn plötzlich und unerwartet für ihn der Augenblick des Handelns kommt. Das Ereignis, auf das sich Ben Hur mehrere Jahre vorbereitet hatte, war plötzlich da. Der Mann, dessen Verteidigung er sich zu seiner Lebensaufgabe gemacht hatte, war in Todesgefahr – und er war untätig.
Denn als es darum geht, den gefangenen Jesus zu befreien, um ihn vor dem Tod am Kreuze zu retten, sind seine Männer nicht bereit, es zu tun, weil sie sich von Jesus enttäuscht fühlen. Von Ben Hurs drei galiläischen Legionen sind allein zwei der Hauptleute ihrer Sache treu geblieben, während tausende Männer übergelaufen sind zu den Priestern, die Jesus hassen. So steht Ben Hur fast alleine da in seinem Wunsch, Jesus beizustehen, aber auch er fühlt sich zu schwach und beim Aufrichten des Hinrichtungskreuzes kommt ihm zunächst der Gedanke:
„Es ist Gottes Wille, dass es geschehen muss.“ Doch dann … hört er den ans Kreuz genagelten Jesus sagen: „Vater vergib ihnen; denn sie wissen nicht was sie tun!“
Worte, die ihn zweifeln lassen, dass es sich um ein von Gott geplantes Verbrechen am eigenen Sohn handelt. Auch Balthasar, Ben Hurs geistiger Mentor, weiß das Ereignis der Ermordung am Kreuz richtig einzuordnen:
Welch schrecklicher, welch furchtbarer Tag ist heute für die Welt!
Drei rote Fäden, die miteinander verschlungen sind, durchziehen das Buch:
Jesu Wirken und die Heilserwartungen der Menschen.
Ben Hurs Kampf um Freiheit gegen Messala und die Römer.
Die Frauen um Ben Hur: seine Mutter, seine jüngere Schwester sowie zwei junge Frauen, die ihn stark anziehen:
Esther, „im Verborgenen blühend“, selbstlos, still und bescheiden, von kindlich-reiner, zarter Schönheit, im guten Sinne passiv.
Daneben Iras, eine außerordentlich attraktive Schönheit mit sehr selbstbewusstem Auftreten, besonders intelligent. Mit ihrer Erscheinung weckt sie die Neu-Gier vieler Männer. Sie ist im unguten Sinn aktiv. Eine Frau, die ihr Netz spinnt, um den blind Verliebten für sich zu gewinnen.
„Iras besitzt große List, große Schönheit, aber sie hat kein Herz“ erkennt der lebenserfahrene Simonides, Ben Hurs väterlicher Freund und Vermögensverwalter. Gefragt, wie man Ben Hur vor dieser Frau warnen kann, antwortet er schlicht:
Ein Ertrinkender lässt sich retten, ein Verliebter niemals.
Für welche der Frauen wird Ben Hur sich entscheiden? Auch das wird realistisch beschrieben.—
Unterscheiden lernen musste ich beim Lesen, was den Naturgesetzen entsprechend möglich und was unmöglich ist: Also ein Ja zu Wunderheilungen. Aber wenn ein „Augenzeuge“ berichtet, dass aus Wasser Wein gemacht werden kann, dann nein!
Es sind nur wenige falsche Überlieferungen, die Lew Wallace ungeprüft aus der Bibel übernommen hat. Dafür beinhaltet dieser Roman so viele sehr starke Seiten, dass ich Lesern mit Unterscheidungsvermögen und Interesse an diesen Themen „Ben Hur“ als Buch sehr empfehle.
G. K.
Stellt sehr anschaulich dar, wie alle Priesterklassen stets versagten aufgrund ihres überheblichen Besserwissens, infolgedessen es ihnen an Einfachheit und Klarheit mangelte, derer es bedarf, um jede Offenbarung von Wahrheit oder die Wahrheit selbst erkennen zu können. Sie sahen sich als oberste Instanz in allen religiösen Belangen, die allein befugt war, die „Wahrheit“ zu verwalten und auszulegen. So konnten sie, als die Wahrheit tatsächlich kam, in aller Einfachheit, ̶ denn eben diese ist ihr Wesen ̶ sie nicht erkennen aufgrund des Befangenseins in ihren komplizierten religiösen Anschauungen und Gebräuchen.
Klar zeigt die Schilderung wie ein Volk, gesegnet und auserwählt vom Allmächtigen, und dem Er Seine Gesetze durch hochberufene Propheten hatte offenbaren lassen, trotzdem von dem Dunkel verführt werden konnte durch den Intellektualismus seiner Priesterkaste.
Die verwendete Sprache fand ich sehr gut. Tiefgründig die Gegenüberstellung der Charaktere von Iras und Esther. Auch interessant die Nebeneinanderstellung von Balthasar und Iras: Der Eine geleitet zur Krippe zur Geburt Christi und wiederum geführt, um die Kreuzigung mitzuerleben ̶ seine einzige Tochter jedoch gänzlich dem Dunkel zugewandt.
Sicherlich sehr empfehlenswert.
DR
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Hans und Sophie Scholl
Briefe und Aufzeichnungen
Herausgegeben von Inge Jens
Über die Geschwister Scholl, die im Alter von 24 und 21 enthauptet worden sind, habe ich einige Bücher gelesen. Den stärksten Eindruck hinterließen deren eigene Tagebuch-Aufzeichnungen sowie Briefe, welche die beiden im Alter ab 16/18 an Freunde, Freundinnen, Eltern, Geschwister schreiben.
Wir lesen, was sie freut oder worüber sie traurig sind, wovon sie träumen, was sie begeistert oder verabscheuen. Beständig auf der Suche nach Wahrheit, nach Gott. Jugendlich frisch und mit melancholischem Sehnen, lebensbejahend.
Die Leser begleiten Hans beim Militärdienst und im Kriegslazarett, beim Medizinstudium und in seiner Freizeit mit Freunden.
Sophies Werdegang erleben wir während der Schule, in der Kindergärtnerin-Ausbildung, beim Arbeitsdienst und Universtitätsstudium. Beim Lesen ihrer Zeilen steht vor uns eine junge Frau, so lebendig, frisch, ehrlich. Ein Mensch, der lieben konnte: Freunde, Natur, Kunst, Arbeit. Ein Mensch, den manche Leser sehr lieb gewinnen werden.
Sophie weiß von ihren Unarten, aber ist bemüht, diese abzulegen. Ihrem Freund Fritz schreibt sie am 29.5.1940:
Denke nicht nur an mich, wie ich bin, sondern wie ich sein möchte.
Im Mädchenlager findet sie keine echte Freundin (27.4.1941 an ihre Freundin Lisa):
Der einzige, allerbeliebteste und häufigste Gesprächsstoff sind die Männer. Manchmal kotzt mich alles an.
Über ihren Heimweg von der Arbeit (6.11.1941 an ihren Kameraden Otl Aicher):
Jeden Abend und jeden Morgen mache ich einen großen Spaziergang, ganz allein zwischen den verschneiten Feldern und Hügeln, die noch ganz in der Dämmerung liegen. Das ist schön und lässt keine schlechten Gedanken aufkommen.
Bei Ihrer Suche nach dem Weg zu Gott (10.11.1941, Tagebuch):
Als ich einmal so verzagt war, weil ich immer wieder zurückfiel, da wagte ich es nicht mehr zu beten, ich nahm mir vor von Gott nichts mehr zu wollen, bis ich wieder eher bestehen konnte vor seinen Augen.
Und immer wieder der Bericht an die Freunde, was sie gerade liest, verbunden mit der Frage:
Was liest Du denn zur Zeit?
Nicht weniger aufrührend als seine Schwester schreibt Hans Scholl.
Durch diese Briefe und Aufzeichnungen ersteht ein viel tieferes Bild von Hans und Sophie Scholl: In erster Linie sind sie Menschen auf der Suche nach dem Wahren und Edlen, leben das konsequent bis zum Äußersten, wofür sie sich dem in ihrem Heimatland regierenden Unrecht und Übel entgegenstellen.
Pu
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Karl May
Lichte Höhen
Haben Sie Karl May „Durch die Wüste“ begleitet oder sind mit ihm und Winnetou in Nordamerika unterwegs gewesen? Wer weiter mit diesem Schriftsteller aufwärts möchte, dem empfehle ich sein Alterswerk „Lichte Höhen“.
Auch wer noch nie ein Karl-May-Buch gelesen hat, wird in diesem Band manches Kleinod finden, unter anderem im ersten Kapitel, den „Himmelsgedanken“.
Über sein Ziel schreibt Karl May, der bis Ende der 1960er-Jahre der populärste deutschsprachige Jugendbuch-Autor war:
Alles was ich geschrieben habe und noch schreiben werde, ist meinem Idealgedanken gewidmet,
dass sich der Gewaltmensch in den Edelmenschen verwandeln müsse und dass dies nur auf dem Weg der Gottes- und Nächstenliebe, den Christus lehrte, geschehen könne.
Und alles, was ich geschrieben habe und noch schreiben werde, ist der anderen Aufgabe gewidmet,
nach dem Menschengeist und nach der Menschenseele zu forschen, deren Kenntnis uns im Laufe der Jahrtausende, wenn wir sie überhaupt besessen haben, wieder verloren gegangen ist.
Karl May ist Realist; denn er weiß von den Gefahren, wie Idealismus, Wissenschaft, Religion und Kunst missbraucht werden können:
Der Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zeichnet sich durch ein Sehnen und Drängen nach Veredelung aus … Wird dieses Sehnen nicht in die rechten Pfade geleitet, so gerät es leicht auf Abwege, die in die Irre führen.
Was sehen wir da? Die Wissenschaft trachtet nicht mehr zu Gott hin, sondern von Ihm weg.
Die Religion wird zum Dogmendienst oder gar zum irren Starrsinn.
Und der Kunst wird zugemutet, der Geldgier, der Vergnügungssucht und der Unsittlichkeit zu dienen…
Die Kunst zeigt uns mit Vorliebe das Böse, das Hässliche, das Gemeine und gibt zu ihrer Entschuldigung dann vor, dabei das Gute, das Schöne, das Erhabene zu wollen. Wenn sie das wirklich will, warum zeigt sie es nicht gleich? … Welche Mutter gibt ihrem Kind Galle, damit es sich nach Honig sehnen lerne?
GK
Zu einem weiteren Buch von Karl May: „Am Jenseits“
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Ernst Wiechert
Das einfache Leben
Suchen Sie ein Buch mit sehr vielen tiefgründigen Stellen? Es wird Sie nachdenklich und freudig stimmen durch die Charaktere, denen Sie begegnen: außergewöhnliche Gestalten aus Ihrer Urgroßeltern-Generation, Menschen von der Art, die es heute bräuchte – neue Frauen, neue Männer braucht das Land! – für den Umschwung zu einem Leben mit der Natur und ihren Gesetzen, also für „Das einfache Leben“.–
Kapitän Thomas von Orla hält die Öde des leeren gesellschaftlichen Lebens nicht mehr aus, als ihm klar wird:
Wir bringen unsere Jahre zu wie ein Geschwätz.
Er sucht nach einer sinnvollen Betätigung, die ihm Frohsinn und Frieden bringen kann, findet sie in der Abgeschiedenheit eines ostpreußischen Gutsbesitzes in einer Hütte am See, als Fischer und Waldhüter.
Das Buch hilft einzutauchen in eine Welt der Stille und der Naturschönheiten. Helden gibt es, sie sprechen nicht viel, tun Gutes, haben ein „großes Herz“.
Die Leser erleben, wie Orla und sein Freund Bildermann bestrebt sind, Marianne, Enkelin des Gutsbesitzers und dessen Erbin, zu schützen in ihrer Entwicklung als Kind, als junges Mädchen und als Frau.
Mehrere der beteiligten Personen tun einander das, was dem anderen hilft und nützt, ohne dafür etwas zu begehren; denn so einfach erklärt es Orla:
Die Liebe ist am reinsten, wenn
man nichts für sie haben will.
Manche Leser werden einige Zeit brauchen, um sich mit Sprache und Stil Wiecherts anzufreunden, an manchen Stellen gar das Lesen aufgeben wollen, wenn der Autor traumhaft sich ausdrückt. Doch die wenigen Worte-Nebel lichten sich schnell und man wird hineingezogen in das klare saubere Denken, das Tun und Lassen der Handelnden, deren vorbildliche Einstellung zu Umwelt und Mitmenschen. Eine Lebenseinstellung von höchster Aktualität für heutige Generationen, damit es eine fruchtbare Zukunft geben kann.
„Das einfache Leben“ ist kein leichtes Buch, dafür ein reichhaltiges. Wer die vielen Kleinode im Herzen sammelt, wird es nie bereuen, das Buch bis zum Ende gelesen zu haben.
Dabei begegnen Sie einigen Menschen, die alle etwas sehr Starkes und Reines vermitteln. Besonders ehren und lieben werden viele Leser Thomas von Orla sowie „das Kind“ Marianne, das „kleine Fräulein“ von Platen. Daher diese Warnung:
Beim Mit-Erleben der Handlung könnte es geschehen, dass der Leser in Marianne sich verliebt! Und die Leserin in Thomas von Orla!
G.K.
Unsere Idealvorstellung war – damals gab es ein Buch von Ernst Wiechert, „Das einfache Leben“; ich weiß, daß viele Leute damals ähnlich empfunden haben wie wir auch; dies wäre unser Ideal gewesen …
(Helmut Schmidt, Ex-Bundeskanzler, im Interview mit Günter Gaus)
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