Öffne mir das Tor zur Welt!

Helen E. Waite
Öffne mir das Tor zur Welt

Das Leben der taubblinden Helen Keller
und ihrer Lehrerin Anne Sullivan

 

Amerikanischer Originaltitel: Valiant Companions: Helen Keller and Anne Sullivan Macy

Öffne mir das Tor zur Welt ist als Titel sehr passend; denn Helen ist ein siebenjähriges Mädchen, das mit eineinhalb Jahren plötzlich taub und blind wird. Doch ist dies nicht eine erfundene Geschichte, sondern ein Tatsachenbericht.

Helens Eltern sind überfordert und lassen alles zu, was ihre Tochter tut und nicht tun will. So greift sie bei Tisch mit ihren Händen in den eigenen Teller und in die Teller der anderen. Sie entwickelt sich zu einem wilden Geschöpf und beschreibt später einmal wie sie sich damals fühlte: gefangen im eigenen Körper, der nichts sehen, nichts hören und nicht sprechen kann!

Zum Glück bekommt das Kind eine Hauslehrerin, die 21-jährige Anne Sullivan, die ihr buchstäblich das Tor zur Welt öffnet. Die Lehrerin, die selbst blind gewesen war, bleibt Tag und Nacht bei ihr, muss ihre Schülerin zunächst zähmen. Und … großartig und erstaunlich, was Helen durch Gefordert- und Gefördert-Werden nach kurzer Lernzeit schon alles kann, unter anderem Fingeralphabet, Braille-Blindenschrift lesen, Briefe selber schreiben, sogar sprechen.

Die junge Helen hat einen starken Willen, möchte mehr und mehr lernen und auch Tiefgründiges erfassen. Zum Beispiel fragt sie als Zehnjährige: „Wo war ich, ehe ich zu Mutter kam?“

Die Kombination von einer genialen jungen Lehrerin und einer nach Wissen suchenden Schülerin wird begeisternd beschrieben.

Wenn man das Buch gelesen hat, ist man umso dankbarer für sehende Augen und hörende Ohren.

Über Helen Keller oder über „Teacher“, wie sie Anne Sullivan nennt, gibt es viele Bücher. Am eindringlichsten und lebendigsten fand ich dieses Buch.

R K

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Maia oder Als Miss Minton ihr Korsett in den Amazonas warf

Eva Ibbotson
Maia
oder
Als Miss Minton ihr Korsett in den Amazonas warf

Englischer Originaltitel: Journey to the River Sea

 

Muss man fast schon für seinen Titel lieben, ist aber auch sonst ein gutes Buch.

BPP

Als ich den Titel las, dachte ich: Korsett? Und warum in den Fluss werfen?
Doch beim Lesen sieht man alles in Bildern vor sich, so lebendig und klar kann die Autorin beschreiben.

Maia ist ein Waisenmädchen, dass 1910 zusammen mit einer Gouvernante von England nach Brasilien reist, wo entfernte Verwandte sie aufnehmen werden. Es geschieht ganz viel Unerwartetes und es bleibt spannend bis zur letzten Seite des Buches.

RK

Bevor Maia England verlässt, um zukünftig in Manaus, einer Stadt mitten im brasilianischen Urwald zu leben, wird sie von ihren Klassenkameradinnen bedauert, dass sie in eine Gegend mit Alligatoren, Piranhas, seuchenübertragenden Mücken kommen wird, dazu unerträgliche, schwüle Hitze sowie eingeborene Indianer mit Giftpfeilen. Aber Maia lässt sich nicht schrecken; denn sie hat in einem Buch der Schulbibliothek gelesen:

Diejenigen, die das Amazonas-Gebiet für eine grüne Hölle halten, bringen nur ihre eigenen Ängste und Vorurteile mit in dieses wunderbare Land. Ob ein Ort Hölle oder Himmel ist, liegt bei einem selbst. Und diejenigen, die mit Mut und Offenheit hierher kommen, finden sich vielleicht in einem Paradies wieder.

Auf der Schiffsüberfahrt nach Brasilien lernen Maia und ihre Gouvernante Miss Minton den Jungen Clovis kennen, Mitglied einer Schauspielertruppe. Jeder der drei steckt in einem seelischen „Korsett“ oder hat sich hineinstecken lassen. Doch das weitere Leben und die Begegnung mit dem Halbindianer Finn helfen den dreien sich aus der Einengung zu befreien.

Maia ist ein frisches, sonniges Mädel, das aber zunächst viel leiden muss bei ihren Pflegeeltern, die sie nur wegen des Geldes aufgenommen haben. Vor allem die gleichaltrigen Zwillingsmädchen der Familie piesacken und schickanieren Maia, wo immer sie nur können.

Die Schriftstellerin Eva Ibbotson versteht es, nicht nur am äußeren Geschehen teilnehmen zu lassen, sondern lässt Leser innerlich mitfühlen und verstehen. Beispielsweise bei dem jungen, verzweifelten Clovis, als er erstmals die drei Mädchen nebeneinander sitzen sieht:

Die Zwillinge waren hübsch, aber Maia war etwas Besonderes mit ihrem ernsten Gesicht und den warmherzigen Augen… Dieser Anblick allein verschaffte ihm ein Gefühl von Sicherheit, als könnte er sich daran festhalten und alles würde gut.

Bei aller Dramatik ist das Buch auch witzig geschrieben und liest sich sehr leicht. Eindringlich  wird beschrieben, wie das Schicksal allen Beiteiligten genau das bringt, was sie brauchen.

Sehr empfehlenswert für ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

GK

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Folge dem Weg der Schwalbe

Michael Morpurgo
Folge dem Weg der Schwalbe

Originaltitel: Dear Olly

Olly und ihr älterer Bruder Matt, ein Abiturient, beobachten seit Wochen Schwalben, die bei ihnen in der Garage ein Nest gebaut haben und brüten.

Eines Tages verrät Matt seiner jüngeren Schwester, dass er doch nicht studieren, sondern die Menschen glücklich machen will.

Olly, ich will ein Clown werden und zwar ein echter Clown. Und jetzt weiß ich auch, wo ich arbeiten will. Ich will dorthin, wo meine Schwalben ziehen. Ich gehe nach Afrika.

Über diese Entscheidung sind die Verwandten erschrocken, doch Matt lässt sich nicht abhalten, er findet Arbeit in einem Waisenhaus in Afrika, in einer Gegend mit Landminen, wo der Krieg gewütet hat.

Und auch eine der jungen Schwalben aus dem Nest begleiten die Leser auf ihrem Flug ins Winterquartier nach Afrika.

Eine sehr gute Geschichte, die in Europa und Afrika spielt. Morpurgo ist in seiner einfachen Schreibweise ein großartiger Erzähler.

Dazu sehr passend die Illustrationen von Christian Birmingham.

Ab 12 Jahren. Kann an einem Tag gelesen werden.

GK

Weitere Bücher von Michael Morpurgo:
Gefährten
Elefantenwinter
Freund oder Feind

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Brigitta

Adalbert Stifter
Brigitta

 

Die Erzählung in Ich-Form schildert die Begegnung eines jungen deutschen Reisenden mit einem geheimnisumwitterten Major, den er auf dessen Schloss in Ungarn besucht. Als Freund des Hauses  nimmt er mehrere Monate lang regen Anteil an dem Alltagsleben und der Bewirtschaftung der ausgedehnten Güter und lernt die Menschen im Umkreis kennen. Nach und nach enthüllt sich ihm die Lebensgeschichte des Majors, die eng mit derjenigen seiner Nachbarin Brigitta verknüpft ist. Über lange Jahre verbindet die beiden eine tiefe Zuneigung und fruchtbares Zusammenwirken.

Mit zarter Feder zeichnet Stifter in der ihm eigentümlichen Weise ein feines Seelenbild der in Leid gereiften Menschen: ihre Stärke, die Würde edlen Stolzes, Güte und Aufrichtigkeit.

MW

 

Von Freundschaft der schönsten Art, von Aufrichtigkeit und gleichem Streben zweier Menschen erzählt Stifter.

Eine charakterstarke Frau mit außergewöhnlich tiefem und schönem Augenausdruck, aber äußerlich nicht hübsch, wird umworben von einem sehr umschwärmten, auch körperlich schönen Mann.

Diese zwei schönen Seelen, Brigitta und „der Major“, zeichnet Stifter auf behutsame, leise, ruhige Weise.

Die Vornehmheit der beiden, deren tiefes Einander-Zugeneigtsein und eine dazu passende edle, gemütvolle Sprache, bewegten mich auch beim fünften Lesen bzw. Hören, werden es zukünftig wieder tun.

Sehr empfehlenswert auch als Hörbuch; denn Christian Brückner als Sprecher findet bei „Brigitta“ den richtigen Ton.

GK

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Ein weiter Weg

Dan Gemeinhart
Ein weiter Weg

Umschlagbild zur deutschen Ausgabe von Dan Gemeinharts "Ein weiter Weg", das ein galoppierendes Pony im Mondenschein zeigt.

Originaltitel: Some Kind of Courage

„DAS Pferdebuch überhaupt“, meint Gabriele Hoffmann vom Verein „LeseLeben“, Pädagogin und Inhaberin der Kinderbuchhandlung „Leanders Leseladen“.

*

Vom ersten bis zum letzten Satz (268 Seiten) eine sehr bewegende und mitreißende Erzählung über einen 12-jährigen Jungen im Wilden Westen.

Joseph hat Mutter, Vater, Schwester verloren. Die Indianer-Ponystute Sarah ist das Einzige, was Joseph noch geblieben ist.  Und die wird von seinem „Pflegevater“ hinter seinem Rücken an einen gewissenlosen Pferdehändler verkauft.

Da macht sich der Junge wild entschlossen auf den Weg, um sein Pferd zurückzuholen. Dabei tut er Dinge, die vor allem die Erwachsenen nicht erwarten; denn er hört auf seine innere Stimme oder erinnert sich, was seine geliebte Mutter und sein aufrechter Vater ihm geraten, ihm vorgelebt haben.

Ich dachte an die Dinge, die uns genommen werden, an die, die wir festhalten müssen, und an die, um die wir kämpfen müssen, um sie zurückzubekommen.

Kommt es zu Kämpfen, ist der Junge hart in der Sache, bleibt dabei immer fair, auch zu ihm feindlich Gesinnten.

Bildhaft geschrieben, in jugendgemäßer Sprache, jedoch nicht derb, mit vielen Stellen zum Lachen, Lächeln, Sich-Wundern und -Freuen, aber auch für nasse Augen.

Uneingeschränkt empfehlenswert.

Ab 11 Jahren.

RK / GK

Dan Gemeinhart, Kinderbuch-Autor, unter anderem von "Ein weiter Weg"
Dan Gemeinhart

In Frankfurt am Main geboren lebt Dan Gemeinhart mit seiner Ehefrau und drei Töchtern im US-Bundesstaat Washington, wo er glücklich und dankbar ist, als Bibliothekar und Lehrer an einer Grundschule zu arbeiten.

Ähnliche Bücher anderer Autoren:
„Der Brief für den König“
„Morgenwind – Owins Weg in die Freiheit“
„Milon und der Löwe“
„Sams Wal“
„Sturmboy – Der Junge und sein Pelikan“
„Tierfreund in Not“

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Die Hexe von Zeil

Harald Parigger
Die Hexe von Zeil

Einblicke des Autors in alte Gerichtsunterlagen und Studium der Verhörprotokolle haben es ermöglicht, dass dieses Buch entstehen konnte und uns heute in Romanform vorliegt:

Bamberg, 1627. Die neunzehnjährige Ursula muss erleben, wie nach ihrer Mutter auch ihr wohlhabender Vater der Hexerei angeklagt und eingekerkert wird. In ihrem Gerechtigkeitsempfinden stellt sie sich furchtlos den Vertretern von staatlicher und kirchlicher Obrigkeit entgegen, woraufhin auch sie der Hexerei verdächtigt und ins Gefängnis nach Zeil bei Bamberg gebracht wird, um dort bei Verhören entsetzlichen seelischen wie körperlichen Qualen ausgesetzt zu werden. Zweck dieser Verhöre ist, aus Ursula ein Schuldgeständnis herauszupressen.

Ihre Kerkergenossin, die bereits seit längerem inhaftierte Anna, versucht alles, um das Mädchen zu stärken. Aber auch der die Verhöre protokollierende junge Gerichtsschreiber Christoph kann das perfide Tun seiner Vorgesetzten kaum noch ertragen. Er will versuchen, Ursula zu befreien …

Harald Parigger, dem Historiker und Schriftsteller, gelingt es, Geschichte auch für Jugendliche spannend miterlebbar zu machen. Er hat in alten Stadtarchiven geforscht und schreibt im Vorwort zu seinem Roman:

 

Die meisten Personen in diesem Buch haben wirklich gelebt – die Täter wie die Opfer. Die Verhöre, die Folterungen – sie haben sich wirklich so abgespielt. Die Engstirnigkeit, die Grausamkeit, die Gemeinheit – es hat sie wirklich gegeben. Aber auch Beispiele von Hilfsbereitschaft, Tapferkeit, Einsicht und Zivilcourage.“

Menschliche Niedertracht führte zu Bespitzelungen und Denunziationen. Hohe und Niedrige, Arme und Reiche, Frauen, Männer und Kinder fielen der Brutalität der Hexenjustiz zum Opfer.

Die meisten Zeitgenossen jedoch wurden von der Angst gelähmt, die nächsten Denunzierten und Verhafteten zu sein und … sie schwiegen!

*

„Die Hexe von Zeil“ ist für jugendliche Leser geschrieben, doch auch Erwachsenen beantwortet es anschaulich Fragen zu den Hexenverfolgungen, unter anderem:

Warum schlossen einflussreiche Bürger sich nicht zusammen, um zu protestieren?
Der Stadtrat Wallner berichtet Ursula von seinem Versuch, die anderen Stadträte zu bewegen, eine Petition zur Freilassung ihres Vaters, des Bürgermeisters, zu verfassen:

Ich habe gebeten, befohlen, gedroht und geflucht, aber die Scheißkerle wollten nicht. Keiner von ihnen. Man sollte meinen, dass Amt und Würde Mut und Selbstbewusstsein stärken; aber in Wahrheit stärken sie nur Faulheit und Feigheit. Gib einem Mann ein Amt, und bald darauf wird ihm nur wichtig sein, dass er für seinen bedeutend gewordenen Hintern ein üppiges Polster hat, und seine größte Furcht ist, dass er seine Vorrechte wieder verliert. Nein, es wird keine Petition des Rats der Stadt Bamberg geben, es wird nur eine Bittschrift des Ratsherrn Peter Wallner geben.

Wie es bei den Verhören zuging: „Hast du einen Geliebten?“
Dr. Georg Einwag, vom Bischof für die Ermittlungen eingesetzter Kommissär, befragt die junge Ursula, ob sie einen Geliebten habe. Als sie verneint, geht das Bohren weiter:

„Warum nicht? Gab es keine jungen Männer, die sich für dich interessierten?“

„Doch, schon, aber …“

„Doch? Es gab sie? Und nie hast du einem nachgegeben? Wirklich nicht?

Ursula richtete sich auf. „Nein!“ rief sie. „Nie hätte ich das getan! Und außerdem, was geht es Euch an?“

Die Stimme des Richters wurde schneidend. „Du hast sie also alle abgewiesen. Was hast du denn getan, um sie dir vom Leib zu halten? Welche Mittelchen hast du angewandt?“

„Was sind das für Fragen?“ Ursula schrie, aber nur, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. „Hätte ich mit ja geantwortet, wäre ich eine Hexe, weil ich die Männer zum Verkehr zwinge, antworte ich mit nein, bin ich eine Hexe, weil ich ihnen die Geilheit wegzaubere! Wenn das Eure Gerechtigkeit ist, dann ist jede Frau eine Hexe!“

 

[Dazu diktiert der Untersuchungsrichter ins Verhörprotokoll seinen Kommentar:]
„Sie gibt an, dass sie noch mit keinem Mann verkehrt hat, hat sie alle abgewiesen, will nicht sagen, mit welchen Mitteln;  scheint überhaupt eine heftige Abneigung gegen Männer zu haben.

Gab es auch gute Beispiele?

Ursula fragt den Gerichtsschreiber Christoph nach ihrer Rettung, warum er sie befreit, seine Stellung aufgegeben, sein Leben aufs Spiel gesetzt habe. Er antwortet ihr:

Fast ein Jahr lang war ich Schreiber … Jedes Wort habe ich protokolliert, das die Angeklagten gesagt haben. Und dazu genauestens notiert: In Güte examiniert. Zum Bekenntnis ermahnt. Peinlich befragt, mit Fingerschrauben, mit Beinschrauben …

Ich kam mir bald vor, als ob ich selbst der Henker wäre. Was ist schon der Unterschied zwischen denen die befehlen, denen die Hand anlegen, und denen die dabeisitzen und brav und pflichtgemäß und ohne Widerspruch alles aufschreiben, als ob es rechtmäßig wäre? Ich habe es nicht mehr ausgehalten mitanzusehen, wie sie kamen, ihre Unschuld beteuerten, wie sie dann schrien und um Gnade bettelten und schließlich die scheußlichsten Untaten bekannten.

Im Namen Gottes?
Anna, Ursulas Leidensgenossin im Kerker, beantwortet dies:

Der Bischof und seine Richter … leben in dem Wahn, die Herrschaft Gottes zu festigen, aber sie haben längst die Herrschaft des Bösen errichtet.

Und Ursula lässt ihrer kirchengläubigen Schwester Barbara, Nonne in einem Dominikaner-Kloster, ausrichten:

Was angeblich im Namen Namen Gottes geschieht, sei in Wirklichkeit doch von Menschen gemacht und ihre Schwester solle lernen zu zweifeln! –

Welche Motive gab es für diese Verbrechen?
Antrieb für die Verfolgungen war unter anderem die Gier staatlicher und kirchlicher Machthaber, das Hab und Gut von vermögenden der Hexerei „überführten“ Bürgern zu konfiszieren, woran sich auch die von den Bischöfen beauftragten weltlichen Kommissäre oft genug schamlos bereicherten.

Kräuterwissen vom Teufel?
Es gab Fälle von Frauen oder Männern, die sich mit Heilkräutern auskannten und damit den Kranken halfen. Das genügte, um als Kräuterhexe oder -hexer angezeigt und angeklagt zu werden, denn diese „Zauberrezepte“ konnten nur vom Teufel sein.

Hübsches Mädchen, aber … nicht willig!

Hübsche Mädchen und schöne Frauen, die nicht mit Jungs und Männern tändelten, die sich nicht „willig“ herumkriegen ließen, begaben sich dadurch oft in Lebensgefahr. Wie schnell und leicht konnten sie aufgrund ihres züchtigen Lebenswandels und ihrer keuschen Geisteshaltung verdächtigt werden, mit dem Teufel unter einer Decke zu stecken.

Abgewiesene und in ihrem „Stolz“ verletzte Männer oder auch missgünstige Konkurrentinnen gehörten zu jenen, welche die Mädchen und Frauen bei der Justiz als „Hexen“ anzeigten.

Hexenjagden hier und heute noch?
Wie ergeht es denn in der Gegenwart einem Mädchen, das mit 16 noch keinen Freund oder – wie Ursula im Roman – mit 20 noch keine weitergehenden „Erfahrungen“ gesammelt hat?
Das Mädchen oder die junge Frau muss damit rechnen, gehänselt, als Jungfrau verspottet, mit Ratschlägen bedacht und für unnormal gehalten zu werden. Im besten Falle wird sie bedauert.

Ja, Hexenjagd gibt es heute noch. Die heutige Jagd auf Andersseiende und Andersdenkende hat eine  modernere Form, doch die innere Einstellung von damals ist auch heute die gleiche. Geändert haben sich lediglich die äußeren Formen: anstelle von Peitschenhieben sind es jetzt bösartige Worte, anstelle körperlicher Torturen ist seelisches Foltern (Mobben) getreten durch Versuche, das Andersartige lächerlich zu machen.

GK

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